Vorbei – meine Leipziger Buchmesse 2015

IMG_0171Vorbei ist sie, die Leipziger Buchmesse 2015. Vorbei auch die obligatorischen und zwangsweise auftretenden Tage danach, die einen in einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Melancholie verharren lassen. Nach-Messe-Blues, so nennt man das wohl. Vorbei geht auch das – und nachdem ich diese eigenartigen Tage erst verstreichen lassen musste, kommt hier nun eine Kurzfassung meines Messebesuchs, in dem ich die Fragen, die mir dazu immer gestellt werden, gerne beantworte.

Man sagt, die Leipziger Buchmesse sei im Gegensatz zur Frankfurter gemütlicher, überschaubarer, fast schon familiär. Stimmt das?

Ja und nein. Ja, weil es weniger Hallen gibt und die Hallen kleiner sind. Entsprechend kürzer sind auch die Wege zu und zwischen den Verlagen, was die ganze Sache übersichtlicher macht und einem das Gefühl einer gewissen Gemütlichkeit vermittelt, zumal auch die Stände etwas kleiner sind.
Nein, weil genau die Dinge, die ich eben aufgezählt habe, es für mich zwischendurch einfach zu voll, zu eng haben werden lassen. Keine kleine Verschnaufpause auf dem Weg zum nächsten Stand oder Termin, weil man sofort wieder auf wen Interessantes trifft:

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Zum Beispiel auf Annika Reich, die am Signierstand saß und ihr neuestes Werk „Die Nächte auf ihrer Seite“ mit Widmungen versah.

 

Was ist das Besondere an Leipzig?

Das Besondere an Leipzig: Die Buchmesse spielt sich nicht nur in den Messehallen ab, sondern ganz Leipzig feiert, ganz „Leipzig liest“. Insgesamt besuchten 251.000 Menschen dieses gigantische Lesefest. 186.000 Büchermenschen davon besuchten die eigentliche Messe, der Rest verteilte sich sich auf 3.200 Veranstaltungen an 410 verschiedenen Leseorten: in Schulen, Kirchen, Vereinsheimen – überall wurde gelesen, teilweise über Stunden wie bei der Nordischen oder der Langen Lesenacht. Das ist schon etwas Besonderes, finde ich.

Was macht man auf einer Buchmesse?

Als Leser fand ich es früher wunderbar, die Angebote der Verlage endlich einmal alle zugleich vor mir zu haben und nach Herzenslust darin stöbern zu können. Es hat mich immer schon geärgert, dass in den meisten Buchhandlungen dieselben Bücher präsentiert werden und ich immer das Gefühl hatte, dass man mir etwas vorenthielt und da doch noch mehr sein müsse. Wenn man dann vor den Regalen der Verlage stand, auch die Bücher im Schatten der Bestellerlisten versammelt vor sich hatte, war das immer ein wenig wie Weihnachten.

Und als Blogger – ist es da anders?

Als Blogger liest man sich immer schon sehr früh durch die Programmübersichten mit den Novitäten – deswegen muss man dann nicht mehr auf die Messe. Mit einigen Verlagen steht man durch den Bezug bzw. den Angeboten von Rezensionsexemplaren in direktem Kontakt und die Verabredungen mit den Ansprechpartnern der Verlage machen jetzt einen wesentlichen Teil der Messebesuche aus. Es ist immer wieder schön, die Menschen hinter ihrer „Funktion“ kennen zu lernen. Wenn man sich persönlich kennt, vereinfacht das auch die weitere Kommunikation. Das gilt, denke ich, auch andersherum. Teilweise werden auch Treffen im kleineren Kreis von und bei den Verlagen organisiert, in diesem Jahr beispielsweise bei Diogenes und dem Manesse-Verlag. Dort ließ man uns dann schon einen Blick auf die ersten Herbstvorschauen werfen. Spannend!

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Manesse-Verlagsleiter Horst Lauinger präsentierte uns einen Original-Werbeträger aus den 50er Jahren. Eins der darauf abgebildeten Bücher wird es zum Herbst in einer besonders aufwändig gestalteten Ausgabe geben. Aber psst…

 

Und, nicht zu vergessen: Die Treffen mit den anderen Bloggerkollegen, teils zufällig, oft geplant, gehören auch immer zu den besonderen Momenten. Blogger sind untereinander gut vernetzt, kommentieren und diskutieren sich teilweise über recht lange Zeiträume – und wenn man sich dann auf den Messen persönlich trifft, sind das fast immer sehr schöne, angenehme und herzliche Begegnungen.

Die Leipziger Buchmesse bezog in diesem Jahr zum ersten Mal die Blogger gezielt mit ein. Top oder Flop?

Die Leipziger Buchmesse stellte in diesem Jahr den Bloggern eine eigene Bloggerlounge zur Verfügung: einen abgetrennten Bereich, zu dem alle akkreditierten Blogger Zutritt hatten. Dort konnte man sich mit Kaffee und Tee versorgen, sich zu Gesprächen verabreden, sein Handy aufladen oder Interviews führen. Manchmal funktionierte sogar das W-LAN! Man kann jetzt darüber streiten, ob das Separieren der Blogger durch die Verfügbarkeit eines eigenen Bereiches (die Journalisten haben einen eigenen, großen Bereich im Pressezentrum) diesen ominösen Keil zwischen klassischer journalistischer Berichterstattung über Bücher und der Buch- und Literaturblogosphäre weiter vorantreibt – das finde ich an dieser Stelle aber müßig und nicht zielführend, weil es da, wenn überhaupt, wesentlichere Punkte zur Diskussion gibt. Alles in allem war die Nutzung auf jeden Fall sehr angenehm.

Dann gab es die im Vorfeld groß beworbene Aktion der „Bloggerpaten“. Hier wurden aus 70 Bewerbern 15 Paten ausgewählt, die jeweils eines der für den Preis der Leipziger Buchmesse nominierten Werke vor der Preisverleihung lesen konnten, rezensieren mussten und an der Eröffnungsfeier sowie der Preisverleihung teilnehmen durften. Was mit großer Ankündigung begann und eine entsprechende Erwartungshaltung generierte, verlief dann irgendwie im Sande. Weder wurde die Aktion weiterhin mit dem gleichen Elan beworben (die Rezensionen konnte nur finden, wer wusste, wo er danach suchen musste), noch wurden die Paten samt ihrer Besprechungen auch nur irgendwo erwähnt. Als wirklich peinlich empfand ich dann die Tatsache, dass die meisten der nominierten Autoren bei einem geplanten Termin am Freitag in besagter Lounge erst von diesen Patenschaften erfuhren. (Wobei ich mich allerdings auch frage, ob die Autoren vorher in einer Art Seifenblase lebten, in der es keine Informationen gab? Oder blendet man bewusst alles aus, was mit der Nominierung zusammenhängt?) Trotzdem: Leipzig hat ein Zeichen gesetzt, hat sich Gedanken und einen Anfang gemacht. Ich weiß, dass im Moment sehr viele aufmerksame Augen aus den unterschiedlichsten Gründen auf die Aktivitäten der Bloggerszene gerichtet sind. Was nun daraus wird, werden wir sehen.

Gibt es ein „nächstes Mal“?

Nach drei Tagen auf der Messe war mein Kopf so übervoll mit neuen Eindrücken, dass ich gesagt habe, erstmal nicht. Das änderte sich aber sofort, als ich auf dem Weg nach Hause war. Dann begann mir dieser ganze bibliophile Zirkus schon zu fehlen. Es ist einfach zu schön, sich mit Menschen, die die gleiche Leidenschaft teilen, auszutauschen. Mit Verlegern zu sprechen, die stolz und voller Vorfreude ihre neuesten Schätze präsentieren. Es macht Spaß, gemeinsam mit anderen zu überlegen und zu diskutieren, wohin die Entwicklung des Buchmarktes, der aktuell ziemlich in Bewegung ist, wohl gehen mag (Stichwort „Die Zukunft ist digital“).

Dann die Gespräche: Zum Beispiel habe ich habe mich, zusammen mit Gerard von Pop-Polit, mit dem österreichischen Autor Jürgen Bauer getroffen. Er hat uns von der Entstehungsgeschichte seines neuesten Romans „Was wir fürchten“ erzählt; von seinem Stipendiats-Aufenthalt am Literarischen Colloquium Berlin, den er genutzt hat, um seinem Werk den letzten Schliff zu geben. Interessant fand ich, dass auch er als Kulturschaffender die meisten seiner Informationen zu den Themen Theater und Literatur mittlerweile aus dem Netz bezieht und meine Besprechung für ihn eine interessante Möglichkeit war, nachvollziehen zu können, wie sich einem Leser sein Text erschließt; auf welche Art das, was er versucht hat, durch Worte zu transportieren, von mir als Leser aufgenommen wurde.

Später hatte ich eine Verabredung mit Karen Grol, Verlegerin des unabhängigen Verlages „Stories & Friends“, in dem sie auch lektoriert. Wir hatten uns im Netz während einer heftig geführten Debatte zum „Indiebookday“ kennengelernt und hier auf der Messe die Gelegenheit genutzt, uns einmal persönlich zu treffen. Daraus wurde dann ein lebhaftes Gespräch über anderthalb Stunden, querbeet durch sämtliche Themen von Verlagsarbeit bis Lektorat, über neue Autoren, E-Books oder Print bis hin zu den Unterschieden zwischen Feuilleton und Blog.

Auf dem Weg zur Messe kam ich (eingepfercht in einer der hoffnungslos überfüllten Straßenbahnen!) mit einem Vater-Tochter-Gespann ins Gespräch – beide Lektoren, er zusätzlich auch Autor beim Eckhaus-Verlag, der überwiegend Zeitgeschichtliches bzw. Biografisches verlegt. Da mein Schwerpunkt eher auf deutschsprachiger Gegenwartsliteratur liegt, wäre mir dieser Verlag vermutlich nie aufgefallen – aber auch hier lohnt sich ein Blick aufs Programm.

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Abgeschlossen habe ich mein persönliches Leipzig-Programm mit dem Besuch der „Leipziger Autorenrunde“.

 

 

Sie wurde iniziiert von Leander Wattig – dem Mann, der überall gleichzeitig zu sein scheint, offensichtlich keinen Schlaf braucht und nicht müde wird, Möglichkeiten zur noch besseren Vernetzung der Buchbranche zu suchen, zu finden und zu schaffen. Hier bekamen Autoren, Self-Publisher, Journalisten, Texter und Blogger bei Tischgesprächsrunden Informationen über viele Themen rund um den Schreibbetrieb. Ich habe hier mit Vergnügen den Vorträgen von Wibke Ladwig, Stefan Mesch, Sibylle Bauschinger, Maria Koettniz und Karla Paul gelauscht.
Damit war dann meine Aufnahmekapazität fürs erste erschöpft – aber es war auch ein wunderbarer Abschluss für mein erstes Mal Leipzig.

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Ein letzter Blick zurück…

 

 

 

Wer noch weiter in Berichten über die Leipziger Buchmesse 2015 stöbern mag, findet weitere Impressionen bei meinen Bloggerkollegen Tilman von 54books, Gérard, der PopPolit, Sophie von Literaturen, Jochen von lustauflesen.de, Tobias vom buchrevier und Thomas von brasch.buch.

Kritisches gibt es bei intellectures, gesammelte Werke bei der Blogumschau.

 

Zum Teilen gedacht, zum Teilen gemacht:

5 Kommentare

  1. Liebe Sonja – ein großartiger und sehr informativer Bericht. Und er macht Lust darauf, vielleicht im nächsten Jahr auch einmal nach Leipzig zu fahren. In Frankfurt war ich 2006. Eindrucksvoll, erschlagend und gigantisch. Interessant auch dein Hinweis auf den den Indie-Book-Day. Leider findet der in sehr vielen Buchhandlungen gar nicht statt. Und auf einer Buchmesse lernt man eben auch viele sehr kleine aber rührige Verlage mit einem interessanten Programm kennen. Übrigens – ich würde sehr gern, sehr viel mehr von deinen Messeeindrücken erfahren. Beste Grüße aus Hamburg. Jan

    1. Lieber Jan,

      ja, das mit dem Indie-Book-Day kann ich bestätigen. Aber da können wir als Leser gegensteuern: Indem wir einfach Bücher aus den unabhängigen, kleinen Verlagen nachfragen. Darum finde ich diese Aktion auch so sinnvoll. Um sichtbar zu machen, dass noch viele Schätze zu schürfen sind neben den Bestsellerlisten.

      Und zu den Messeeindrücken – frag mich, was du wissen möchtest. Ich antworte gerne. Nur ist es schwer, all das Erlebte in einen Artikel zu packen.

      Vielleicht sehen wir uns dann ja sogar in Leipzig!

      Herzliche Grüße

      Sonja

  2. Im Moment funktioniert die „gefällt mir“ Funktion hier nicht. Da gebe ich mein Votum doch mal deutlich ab: GEFÄLLT MIR!

    Bin überrascht, dass es bei die das erste Mal war. Habe ich gar nicht gemerkt. Mich hat es sehr gefreut, dass wir uns persönlich begegnet sind und hoffe, dass uns dies bald wieder – ein zweites Mal – mal gelingt.

    1. Es war nicht meine erste Buchmesse – aber das erste Mal in Leipzig.

      Mich hat es auch gefreut, den schlauen Kopf hinter brasch & buch en nature zu sehen – und das wird sicher nicht das letzte Mal gewesen sein.

      Bis dahin liest man sich!

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