Auf der Suche nach der Zeit…
In den letzten Wochen war es still geworden hier. Das lag daran, dass mein zur Verfügung stehendes Zeitkontingent und das Verknüpfungspotential meiner Synapsen von einer Weiterbildung in Anspruch genommen wurden. Mein Lesestoff wurde dominiert von Themen wie Monitoring, Marketing, Kommunikation und Recht im www . Da gibt es zwar auch einige nette Bücher, die durchaus empfehlenswert sind – aber man möge mir nachsehen, dass mir schlichtweg der Nerv fehlte, das schriftlich und hier zu tun. Aber nun gut, das ist jetzt auch wieder Schnee von gestern, ich darf mich nach bestandener Prüfung jetzt auch schön und offiziell „Social Media Manager (TH Köln)“ nennen und mich wieder frohen Mutes ins Blogleben stürzen.
24 Türen
Und hiermit geht es denn auch schon ganz direkt und ganz vorweihnachtlich los: Das verlagseigene Blog von Kiepenheuer & Witsch lud in diesem Jahr einige Buchhändler und Blogger ein, ihre Türen für die Leser zu öffnen, die Fragen „Wer bist du, was sind deine Orte?“ zu beantworten und ein Buch zu empfehlen, das anschließend auch verlost werden wird. Und voila: Hinter der 15. Türe verstecke ich mich mit dem Buch:
Ostende 1936, Sommer der Freundschaft
Ich habe mich für Volker Weidermanns „Ostende – 1936, Sommer der Freundschaft“ entschieden, das im letzten Jahr bei Kiepenheuer & Witsch erschienen ist. Ich habe es jetzt anlässlich der „24 Türen“ ein zweites Mal gelesen – und für mich hat es auch beim zweiten Lesen nichts von seiner eigentümlichen Faszination verloren. Das jene seltsame Stimmung heraufbeschwört, in der sich die unterschiedlichsten Persönlichkeiten im Exil zusammenfinden, um überhaupt irgendwo sein zu können; ein Ort, an dem diesen einen Sommer lang diskutiert, intrigiert, gefeiert, geliebt, getrunken, verzweifelt und gehofft wird.
Einerseits fand ich die sehr nüchterne Sprache Volker Weidermanns etwas arg trocken – andererseits ist es aber vermutlich genau so der richtige Ton, um den Stoff nicht verklärend ins Seichte abdriften zu lassen. Und es macht unglaublich neugierig, sich noch mal näher mit den Texten von Stefan Zweig, Joseph Roth oder Irmgard Keun zu befassen.
Und auf die Texte einer Frau, die im Jahr 1936 an ihren Liebhaber in Amerika, der sie regelmäßig mit Geld versorgt und für sie alles aufzugeben und sie zu heiraten bereit wäre, schreibt:
„Ich habe Dich lieb, aber mir liegt ein Dreck daran, Dich zu heiraten. Ich würde mich lieber in einem deutschen Konzentrationslager totprügeln lassen, als mein Dasein dankbar und demütig an Deiner Seite zu Ende zu leben.“
– da kann man nur neugierig werden. Oder etwa nicht?
Übrigens wird von Irmgard Keun im nächsten Frühjahr bei Kiepenheuer & Witsch „Kind aller Länder“ erscheinen, das Buch, das genau in Ostende, im Sommer der Freundschaft, begonnen wurde.
Ostende 1936, Sommer der Freundschaft
Volker Weidermann
ISBN: 978-3-462-04600-7
Erschienen am: 08.03.2014 bei Kiepenheuer & Witsch
160 Seiten
Ausführliche Besprechungen auch von Mara auf Buzzaldrins Bücher, bei Sophie von LITERATUREN, von Claudio auf Sätze und Schätze und Tilmann lud Volker Weidermann zum Gespräch auf 54Books.