In der Reihe „Was macht eigentlich…“ stelle ich in unregelmäßigen Abständen Menschen vor, die mit ihrem Können, ihrem Wissen und ihrer Leidenschaft den Büchern auf und in die Welt helfen. Also Menschen, die Bücher schreiben oder Texte lektorieren; die übersetzen, drucken, verlegen, bebildern, sich um die Pressearbeit kümmern; die Bücher vertreiben, verkaufen oder über das alles schreiben. Den Anfang macht die Illustratorin Kat Menschik:
Wenn die Angaben, die ich gefunden habe, stimmen, haben Sie nach der Schule erst einmal eine Ausbildung zur Schaufenstergestalterin absolviert. Danach folgte ein Studium für Kommunikationsdesign an der Hochschule der Künste Berlin, unterbrochen bzw. ergänzt durch ein Stipendiatsjahr in Paris. Die Hochschule Berlin verließen Sie als Meisterschülerin. Wann entschlossen Sie sich, Ihren Fokus auf Illustrationen zu richten – oder war das eher ein „Zufallsprodukt“ und hat sich so ergeben? Gab es einen bestimmten Grund?
In Paris Mitte der Neunziger habe ich, gemeinsam mit einigen anderen Austauschstudenten, ein erstes Comicfanzine veröffentlicht. Es erschien monatlich, was bedeutete: sich eine Geschichte zu einem Thema ausdenken, zeichnen, das Heft gestalten, vervielfältigen, binden, in die Läden gehen und das fertige Produkt vertreiben, Werbung machen, Geld einsammeln, neu beginnen.
Und ja, daran bin ich hängen geblieben. Am Zeichnen zumindest.
Zurück in Berlin gründete ich mit einem Freund einen eigenen Verlag, den „Millionen-Verlag“. Wir führten weiter, was wir in Paris begonnen haben, nur besser. Diesmal veröffentlichten wir Siebdruckeditionen, eine sehr feine Sache: jeweils dreifarbig gedruckt, mit wechselnden Künstlern und uns, die für die Edition „AOC“ zeichneten, malten, fotografierten.
Seit dem Ende unseres Studiums ruht der Verlag, seither zeichne ich ausschließlich.
Eine Illustratorin arbeitet freiberuflich, setzt sich morgens nach dem ersten Kaffee voller Tatendrang an einen großen, sonnenbeschienenen Schreibtisch und bringt ihre nur so sprudelnden Ideen zu Papier – so ein nettes Klischee. Wie sieht der berufliche Alltag wirklich aus?
Völlig richtig, genauso sieht’s aus. Nur dass das sonnenbeschienene Zimmer abgedunkelt werden muss, damit ich auf meinem Lichttisch etwas sehe. Der frühe Vogel fängt den Wurm und abends gibt es richtigen Feierabend für Freunde und Familie.
Man kennt Ihre Illustrationen aus dem Feuilleton der FAS. Sie arbeiten aber auch beispielsweise für das Magazin und haben einige Bücher illustriert. Was illustrieren Sie am liebsten – Artikel für Magazine oder Feuilleton, fremde Texte oder eigene Bücher?
Das kann ich so nicht beantworten. Eigentlich sind fast alle Bereiche Lieblingsjobs. Es geschieht wirklich sehr, sehr selten, dass ich mit einem Text mal gar nichts anfangen kann und es mir schwer fällt, eine Idee zu finden. Themen oder Bereiche, die mir nicht so liegen, bearbeite ich so gut wie nicht mehr. Dazu gehören z.B. Frauenzeitschriften und Kinderbücher, beides zu weich für meine Art zu zeichnen, bzw. mein Strich zu hart. Das wissen auch die Verlage und beauftragen mich von vorneherein nicht damit. An dieser Stelle gibt es weitaus bessere Kollegen….
Aber was ich bearbeite, mache ich jeweils wirklich mit allergrößter Lust und Spaß!
Was ist angenehmer: sich beispielsweise ein Buch mit Text und Illustration gemeinsam und wechselseitig zu erarbeiten – oder den Text vorgelegt zu bekommen und sich zum Bild vorzuarbeiten? Wie erarbeitet man sich dieses Bild? Gibt es eine Art „Quintessenz“, die man ins Bild übersetzt – oder „ploppt“ während des Lesens dieses Bild einfach so auf und man weiß, „das ist es jetzt!“?
In der Regel bekomme ich den Text vorgelegt oder, falls sie noch nicht existieren (das geschieht oft in der Zeitungsarbeit), beschrieben, worum es geht. Dann denke ich darüber nach und versuche, eine Bildidee zu finden. Und ja, manchmal sehe ich das fertige Bild schon beim ersten Satz vor mir.
Bei Büchern ist es etwas anders. Hier muss ich mir eine gesamte Bildserie ausdenken, eine Idee für das jeweilige Buch finden, die es einzigartig macht. Habe ich so eine Grundidee, kann ich alle Illustrationen des Buches danach „abarbeiten“.
Graphic Novels – eher Kunst oder Literatur?
Kommt drauf an, kann beides, muss gar nichts sein.
Die Entwicklung des Buchmarktes in Richtung Digital: Fluch oder Segen?
Für die Printmedien ist die Entwicklung alarmierend. Alle sind auf der Suche nach neuen Wegen. Für mich als Zeichnerin hat sie jedoch auch etwas für sich: Die Verlage besinnen sich darauf, immer schönere Bücher gestalten zu lassen. Denn das ist die einzige Daseinsberechtigung im digitalen Zeitalter: Wenn man Gegenstände, Bücher oder Zeitungen herstellt, die man gern in die Hand nimmt, die haptische und ästhetische Qualitäten haben, die man digital einfach nicht herstellen kann.
Was bedeutet Literatur für Sie?
Eine, ach nein, so viele andere Welten. Lebenswichtiger Superluxus.
Lesen Sie gerne und wenn ja: Wie lautet der Titel Ihres aktuellen Buches?
Ja. Nino Haratischwili „Nino Haratischwili_Das achte Leben, für Brilka“
Wo ist Ihr Lieblingsleseplatz?
Bett, Garten, Badewanne, Strand.
Was wäre ein nächstes Herzensprojekt?
Das verrate ich noch nicht. Bleiben Sie aufmerksam, in etwa einem Jahr ist es soweit!
Vielen Dank für das Gespräch. Und ich werde aufmerksam bleiben. Versprochen.
Kat Menschik wurde 1968 geboren, arbeitet als freie Illustratorin, gibt der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung optische Impulse und zeichnet sich verantwortlich für die Illustrationen vieler bekannter und ausgezeichneter Bücher. Hier eine Auswahl:
Maria Antas – Ein Buch über das Putzen
Insel Verlag, ISBN-978-3-458-17629-9, 18,00 €
Die Intention der Autorin Maria Antas, sich im Buch über das Putzen mit dieser ungeliebten Tätigkeit nicht nur als notwendiges Übel zu befassen, sondern es auch im gesellschaftlichen Kontext bzw. mit seiner Entwicklungsgeschichte zu sehen, ist ja durchaus löblich. Aber dafür geht es meiner Meinung nach nicht tief genug und wirkt auf mich wie ein Sammelsurium aus Tagebucheinträgen und Kurzmeldungen wissenschaftlicher Publikationen. Ein Buch, für das ich mich textlich nicht begeistern konnte. Für die Illustrationen aber schon:
Illustrationen © Kat Menschik
Véronique Witzigmann – Das Marmeladenbuch
Ein Buch mit Rezepten für Klassiker und neue Kreationen, erschienen in der Insel-Bücherei mit der ISBN 978-3-458-20008-6 , 16,00 €. Zum Gucken, Nachkochen und Verschenken.
Illustrationen © Kat Menschik;
Kat Menschik – Der Goldene Grubber
Der Goldene Grubber, ausgezeichnet von der Stiftung Buchkunst und dem Deutschen Gartenbuchpreis, erschienen beim Galiani-Verlag, ISBN 978-3-86971-083-9, 34,00 € und besprochen von mir hier.
Haruki Murakami – Die unheimliche Bibliothek
Ein „kafkaesker Alptraum und zugleich eine einfühlsame Geschichte von Verlust und Einsamkeit“, erschienen bei DuMont, ISBN 978-3-8321-9717-9 , 14,99 €.
Alle Illustrationen wurden mir freundlicherweise durch den Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür!
Schöne Idee, auch die Menschen „hinter dem Buch“ vorzustellen. Sympathisches und informatives Interview!
Vor einer Woche habe ich in der Stader Buchhandlung Schaumburg, einer der schönsten in Deutschland, an einer Lesung der Berliner Illustratorin Kat Mensching teilgenommen.
Sie hat eine ganze Reihe von schmalen, bibliophilen Bänden unterschiedlichster Thematik und unterschiedlichen Autoren bearbeitet, unter anderem eine Ausgabe von norwegischen Märchen von Peter Christen Asbjørsen und Jørgen Moe nach der Übersetzung von Friedrich Bresemann.
„Die Puppe im Grase“ ist ein 75 Seiten schmales Büchlein geworden, das von der Gestaltung jeden Bücherschrank schmückt. Es ist in einem mittleren Blauton gehalten, auch die Titelzeichnung und das herumliegende florale Rankwerk ist blau. Auch der Schnitt ist dunkelblau. Allein der Titel, eine Schleife, die Puppe sich um den Leib gebunden hat und der schmale Rand eines Knollenblätterpilzes auf der Rückseite heben sich durch ihr Rot ab. Ein gedämpftes Weiß ist einer Glockenblume, dem Rücken und dem Hintergrund der Titelseite vorbehalten. Etwas Geheimnisvolles, nicht aber Gefährliches geht davon aus.
Ich besitze die Originalausgabe von Asbjørnsen und Moe schon seit langem. Zudem bin ich Halbskandinavier, habe bis zum vergangenen Jahr in Norwegen gelebt und gearbeitet, bin von dem untersten Süden gezogen, vom Osten bis an die Westküste, vom Meer mit seinen Inseln bis ins Hochgebirge, habe viele Freunde in Schweden, Norwegen und Island und spreche die drei (vier) germanischen Festlandssprachen.
Frau Menschik erklärte mir, dass sie noch nie Norwegen besucht habe.
Ich staunte daher über den Stil der Zeichnungen, der mir so gut zu den Geschichten zu passen schien – viel besser als die zeitgenössischen Illustrationen, die ich aus den originalen Büchern kannte. Der Grund dafür war mir rasch klar: Ich hatte in den 2000 in Ålesund gewohnt, einer Stadt in Mittelnorwegen, die in einer kalten Januarnacht 1904 komplett abgebrannt war und in den Folgejahren in einer Gemeinschaftsanstrengung von Einwohnern, dem norwegischen Staat, norwegischen und ausländischen Architekten unter massiver Unterstützung aus Kaiser Wilhelms Privatschatulle wieder aufgebaut worden war. Der Baustil ist eine Variante des Jugendstils mit seinen floralen Formen, hier aber auch nordisch-mythologischen Themen.
Ingesamt ist hier ein schönes Buch entstanden, das ich gern immer wieder zur Hand nehme, das ich aber auch gern verschenken werde – denn das ist, wenn ich die Herausgeber recht verstehe, das Ziel der Reihe: Freude schenken.