Ich habe mich durch viele herausragende Rezensionen in verschiedenen Foren zum Buch „Das Lavendelzimmer“ von Nina George förmlich verführen lassen. Wenn auch gestandene Männer in die Lobeshymnen mit einfallen, muss es schon etwas Besonderes sein, dachte ich, keine 08/15 Geschichte, kein klassischer Herz-Schmerz.
Die Idee ist wirklich wunderbar: Jean Perdu (da ist der Name tatsächlich Programm) verlor sich im Schmerz über den Verlust seiner großen Liebe Manon. Das Einzige, was ihm in den mittlerweile 21 Jahren eine Spur des Trostes geben konnte und sein Weiterleben ermöglichte, waren seine Bücher. Überzeugt davon, dass jedes Buch für eine einzige bestimmte Person geschrieben wurde und das jeweils passende Buch geeignet ist, eine besondere Krankheit zu heilen, verwendet er seine ganze Energie auf „Lulu“, sein Bücherschiff, seine „pharmacie littéraire“. Auf ihr verkauft er passende Bücher an besondere Menschen, die eben dieses Buch in eben diesem Moment brauchen. Nur für sich selbst findet er keinen Trost und keine Heilung.
Nachdem er irgendwann feststellen musste, dass er sich die ganzen Jahre über von falschen Rückschlüssen leiten ließ, macht er sich irgendwann auf, fährt mit seiner „Lulu“ seiner Zukunft entgegen, um sich seiner Vergangenheit stellen, um mit ihr abschließen, um sich endlich befreien zu können.
Die ganze Geschichte ist wie französische Patisserie – ein Eclair, sehr liebevoll gestaltet, ein luftiger Teig mit gehaltvoller Buttercreme im Innern und schön gefärbtem Zuckerguss obenauf.
Aber wie das mit feinen Desserts so ist – sie sind nicht dazu geeignet, in größeren Mengen genossen zu werden, weil man sich den Magen daran verstimmt. Genau so ging es mir mit diesem Buch. So sehr mir die Geschichte gefiel, so treffend, präzise und wahrhaftig die Charaktere gezeichnet waren – man merkte jedem Kapitel, manchmal jedem Satz an, wie sehrdie Autorin bemüht war, möglichst viel Gefühl, Stimmung und Melancholie hereinzupacken. So viel, dass ich manchmal dachte, „lass gut sein, es reicht“. Und dann mein besonderes Problem mit den Stilbrüchen. Waren sie gewollt? Ich weiß es immer noch nicht. Wie kann man über zwei Seiten die erste zögerliche körperliche Annäherung zweier Personen schildern, jedes Detail der Stimmung und der Veränderung bis ins Kleinste auszuleuchten versuchen – und dann fällt dem armen Jean beim Anblick der Rundung einer nackten Damenschulter nichts Besseres ein als der „Deltamuskel“?
Abschließend muss ich sagen, dass das Buch für mich viel durch die Überfrachtungmit Sprache verloren hat. Und auch die vielgepriesene Tiefgründigkeit erschloss sich mir nicht in dem Maße wie vielen anderen Lesern. Selbstverständlich ist es bitter, nach zwanzig Jahren feststellen zu müssen, dass man einem sich selbst auferlegten Irrtum aufgesessen ist. Aber das ist jetzt nicht so neu. Das nichts so ist, wie es zu sein scheint? Nun ja.
Was bleibt, sind schöne Bilder in meinem Kopf. Und das ist ja auch schon was.
Zur Autorin:
Die Publizistin Nina George, geboren 1973, arbeitet seit 1992 als freie Journalistin, Schriftstellerin und Kolumnistin. George schreibt Wissenschaftsthriller und Romane, Reportagen, Kurzgeschichten sowie Kolumnen. Ihr Roman „Die Mondspielerin“ erhielt 2011 die DeLiA, den Preis für den besten Liebesroman. Für ihren Kurzkrimi „Das Spiel ihres Lebens“ wurde Nina George 2012 mit dem Glauser-Preis ausgezeichnet. Unter ihrem Pseudonym Anne West gehört sie zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Erotikautorinnen. Nina George ist verheiratet mit dem Schriftsteller Jens J. Kramer und lebt im Hamburger Grindelviertel.
Nina George – Das Lavendelzimmer
- Gebundene Ausgabe: 384 Seiten
- Verlag: Knaur HC (2. Mai 2013)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 3426652684
- ISBN-13: 978-3426652688
Aha, die Sprache ist also überfrachtet. Hm, dann wohl auch eher nichts für mich. Da bin ich – ich gebe es zu – heikel. Aber das Cover ist wunderschön. Also vielleicht so zum Angucken kaufen? Nein, das wäre arrogant. Soweit will ich dann doch nicht gehen ;-))
Ja, Andrea, das Cover ist wirklich schön – und die Idee der schwimmenden Bücherapotheke ja auch…
Vielleicht behälst du das Buch im Hinterkopf – für einen Tag, an dem die Regentropfen gegen die Scheiben prasseln und du dich einfach in die Provence lesen willst. Man hat ja so Tage, an denen man drei Eclairs hintereinander verkraftet. Auch wenn man dann für längere Zeit genug hat 😉