Véronique Olmi et moi

Es ist schon lange her, das erste Treffen zwischen Véronique Olmi und mir. Wir trafen uns 2003 am Meeresrand…

Meeresrand_Véronique Olmi

…und es verlief völlig anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Auch anders, als der Klappentext versprochen hat. Dabei hat er noch nicht einmal gelogen, dieser Klappentext – oder mir etwas vorgegaukelt, was das Buch nicht halten konnte. Von daher kann ich ihm noch nicht einmal Vorhaltungen machen.

Eine Mutter bricht mit ihren beiden Söhnen zu einer Reise auf. Sie freuen sich, aber es ist ihnen auch unheimlich. Sie waren noch nie weg, und Ferien sind auch nicht. Aber die Mutter ist fest entschlossen: Ihre Kinder sollen das Meer sehen, wenigstens einmal. Da spielt es keine Rolle, wie verlassen und trostlos der kleine Küstenort ist und sie von ihrem Hotelzimmer auf eine Betonwand schauen, nicht auf den Strand. Diese Reise hat sie geplant, auch wenn sie sonst nie planen kann. Sie werden ans Meer gehen und abends auf die Kirmes. Die Kinder sollen es gut haben. Bis sie kein Geld mehr hat und auch der Mut sie verlässt. Denn es ist eine Reise ohne Wiederkehr, eine Reise in das Herz der Verzweiflung.“ (Klappentext)

Nur übertraf das tatsächliche Erlesene das Versprochene um Längen. Dieses Buch ist düster, die Tristesse tropft förmlich aus jeder Buchseite heraus, die immer präsente Verzweiflung griff mit klammen Armen nach mir und lähmte mich. Trotzdem las ich weiter, fuhr mit ihrer depressiven Protagonistin durch den ständigen Regen, übernachtete in billigen Absteigen, beobachtete mit Kloß im Hals und Krampf im Magen ihre unschuldigen Kinder. Sie schonte mich nicht, machte keinen Hehl aus dem zu ahnenden Finale, das gleichzeitig qualvolles Ende und verzweifelt-logische Konsequenz darstellt – natürlich nur aus Sicht der Mutter…

Diese Geschichte mit ihrer zähen Verzweiflung verfolgte mich wochenlang und ich hatte erstmal die Nase gestrichen voll von Véronique.

In diesem Sommer dann,

in diesem sommer_veronique olmi_btb

trafen wir uns wieder, ganz unverhofft beim Buchhändler, also einem richtigen, mit üppig gedecktem Büchertisch. Sie lockte mich mit einem sehr gelungenen, sehr sommerlichen Cover, das mich sehr genau in der richtigen Urlaubslesestimmung traf und lud mich freundlich zu einer neuen Leserunde ein. Véronique Olmi ist zwar jetzt nicht gerade die Autorin, die ich sofort mit leichter Strandlektüre in Verbindung bringe – aber da ich für Charakterstudien und Hintergründiges immer zu haben bin, willigte ich ein.

Sie erzählte mir die Geschichte eines Sommerwochenendes:

„Ein Sommerwochenende: Drei Paare treffen sich in einem Ferienhaus in der Normandie, um den 14. Juli zu feiern, wie jedes Jahr. Doch diesmal ist es anders als sonst: Delphine und Denis, die Gastgeber, stehen kurz vor der Trennung; Nicolas und die Schauspielerin Marie versuchen sich durch demonstrative Nähe über seine Depression und das Ende ihrer Karriere hinwegzutäuschen, und Lola hat wieder einen neuen Liebhaber mitgebracht. Und dann taucht auch noch der rätselhafte junge Dimitri auf. Hat dieser es auf Jeanne, die Tochter der Gastgeber, abgesehen? Als beide in einer Gewitternacht vermisst werden, machen sich die Erwachsenen in ganz neuen Paarungen auf die Suche.“ (Klappentext)

Durch unser erstes Zusammentreffen vorgewarnt, blieb ich wachsam, gespannt auf die dunklen Hintergründe und Tiefen, die sich hinter der sommerlichen Leichtigkeit offenbaren.

Und es offenbarte sich – so gar nichts. Es ist zwar durchaus plastisch erzählt und man sieht, spürt und riecht förmlich das Ferienhaus, das gleißende Sonnenlicht, das Meer und die gewisse vorfreudige Erwartung, die ein traditionelles Treffen unter Freunden begleitet.

Aber die Personen mit ihren Lieben, Nöten und Sehnsüchten bleiben eigenartig oberflächlich. Alles scheint wie hinter einem Schleier aus Dunst, plätschert dahin wie ein schwülheißer Tag am Strand, an dem alles in Trägheit erschlafft und man sich nur für die nötigsten Dinge oder ein kühles Getränk von seiner Liege erhebt. Der Stoff bietet einiges, was sich lohnen würde, genauer, präziser und ausführlicher dargestellt und beschrieben zu werden. Aber diesmal ließ Véronique diese Chancen ungenutzt und so bleibt nur die halbherzige Darstellung verschiedener Personen, die sich alle an einem Wendepunkt ihres Lebens befinden: ein attraktiver, erfolgreicher Mann, der in den Startlöchern steht, um noch mal mit einer großen Liebe durchzustarten. Eine frustrierte Ehefrau, die das Gefühl hat, an ihren selbstauferlegten Ansprüchen zu ersticken. Eine pubertierende Tochter, für die die Tage am Meer mehr bedeuten sollen, als mit ihrer Freundin am Strand das Feuerwerk zu beobachten. Eine erfolgreiche, umtriebige Jounalistin, die endlich mit ihrer Vergangenheit abschließen will, damit sie in ihrer Gegenwart ankommen kann. Ein Ehepaar, das sich zärtlich aneinander klammert, damit nicht jeder für sich im Strudel von Schuld, Angst oder falschem Selbstverständnis untergeht. Ihre Konflikte werden zwar beschrieben (allem voran das gegenseitige Gezicke der anwesenden Damen),  aber alles bleibt seltsam vage an der Oberfläche. Wie Spuren im Sand, die anfangs noch zu sehen sind, dann aber immer schwächer werden.

Freundinnen werden wir wohl nie, Véronique Olmi und ich. Aber vielleicht treffen wir uns ja noch mal irgendwo. Irgendwann.

 

Zur Autorin:

Véronique Olmi wurde 1962 in Nizza geboren und lebt heute mit ihren zwei Kindern in Paris. In Frankreich wurde sie, als eine der bekanntesten Dramatikerinnen des Landes, für ihre Arbeit mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Seit 1990 hat die ausgebildete Schauspielerin zwölf Theaterstücke verfasst, am Anfang stand sie bei deren Aufführung auch selbst auf der Bühne und/oder führte Regie. Ihre Romane stehen in Frankreich regelmäßig auf den obersten Plätzen der Bestsellerliste.

Wer etwas über das neueste Werk Véronique Olmis erfahren möchte, dem empfehle ich einen Besuch beim Bücherwurmloch – dort erfährt man, wie es hätte sein können, das Glück…

 

 

 

Zum Teilen gedacht, zum Teilen gemacht:

2 Kommentare

  1. Das passt ja nun so gar nicht zusammen! In diesem Sommer kein Drama? Ich hatte ja meine Rezension dem Pressemann geschickt und er meinte: „Ich verstehe, was Sie meinen, dass es Ihnen zu dramatisch war – drunter macht sie’s nicht“, aber anscheinend macht sie’s doch. Nur auch nicht besonders gut …

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